DIE DIESELLOKOMOTIVEN SLM WINTERTHUR und BROWN BOVERI & Co.



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Nach 1945 beabsichtigte die Französisch-Äthiopische Eisenbahngesellschaft C.F.E. eine Modernisierung ihres Triebfahrzeug-Bestandes. Im Jahr 1946 wendet sich die C.F.E. an den Schweizerischen Hersteller S.L.M Winterthur für die Studie, Entwicklung und Lieferung einer Serie von sechs Doppeldiesellokomotiven zu 1340 PS. Am 31. Dezember 1946 erfolgte die Bestellung. Die Erstellung des endgültigen Pflichtenheftes, im Juli 1948, brachte die Aufteilung der Bestellung in fünf Schnellzuglokomotiven 1V bis 5V (mit "V" für "voyageurs" / Reisezug) und sieben Gemischtzuglokomotiven 6M bis 12M (mit "M" für "Marchandises" / Güterzug).

Die extrem verschiedenen topografischen und klimatischen Verhältnisse stellen ganz besondere Anforderungen in Bezug auf Qualität und Verarbeitung dieser Lokomotiven. Die Schmalspurstrecke von Djibouti nach Addis-Abeba ist fast 800 Kilometer lang, hat Steigungen von bis zu 30°/oo mit dem Scheitelpunkt auf 2400 Meter Höhe. Die Strecke führt durch äusserst unterschiedlichen klimatischen Gebiete: die Gegend um Djibouti mit sehr feuchter und sehr salzhaltiger Luft mit Temperaturen von bis zu 50°, die wüstenartige Gebiete mit heftigen Sandstürmen und die Abessinische Hochebene, in der eine gemässigtes Klima mit zahlreichen oft starken Regenzeiten herrscht.

Das Pflichtenheft sah zwei Varianten von Lokomotiven vor: eine für den Reisezugdienst und eine für den gemischten Betrieb mit Güter- und Personenzüge. Für den gemischten Dienst war die Bespannung in Doppeltraktion eines Zuges von 300 Tonnen bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h auf Steigungen von 30°/oo, sowie mit 65 km/h auf geraden Abschnitten in der Ebene vorgesehen. Im Reisezugdienst war die Beförderung eines 80 Tonnen schweren Zuges mit einer Lokomotive verlangt, welche dabei in der Ebene 90 km/h erreichen sollte.
Beide Unterbauarten sollten möglichst identisch aufgebaut sein, mit einer grössten Achslast von 8 Tonnen (mit 10% Toleranz). Der Führerstand befindet sich am vorderen Ende der Lokomotive. Die Stirnseite ist besonders verstärkt, da sie als Rammschutz bei den oft vorkommenden Zusammenstössen mit Grosswild dienen muss. Am hinteren Ende stehen die grosszügig bemessene Wasser- und Ölkühler, die der Abkühlung des Dieselmotors dienen, welcher in einer oft über 50 Grad heissen Umluft arbeitet.

Spezielle Sandfilter ermöglichen das Filtrieren der angesaugten Luft und ein leichter Überdruck im Maschinenraum verhindert das Eindringen der feinen Sandkörner. Das Führerhaus wird durch gefilterte Luft ventiliert.

Der sechszylindrige Viertakt-Dieselmotor gehört zum Typ 6 VD 25TrTH des Herstellers SLM. Er ist den besonderen Anwendungsbedingungen angepasst, verfügt über eine Dauerleistung von 580 PS und einer Stundenleistung von 680 PS bei einer Nenndrehzahl von 750 U/min. Er arbeitet nach dem Prinzip der Direkteinspritzung des Kraftstoffes und ist mit einem Abgasturbolader versehen, dies ermöglicht die Einhaltung der voller Leistung auf allen Höhenlagen.

Der Kasten ruht auf zwei Drehgestelle zu je drei Achsen. Er stützt sich auf kugelförmige Drehzapfen, deren Drehpfannen im Drehgestellrahmen querpendelnd aufgehängt sind. Federnde Seitenabstützungen sorgen für eine weiche Haltung des Kastens.
Jedes Drehgestell ist austauschbar und mit zwei Triebachsen sowie einer dazwischen gelagerten Laufachse versehen. Diese ist für einen späteren Ausbau vorgesehen. In der Ausführung für den Personenverkehr mit 90 km/h treiben beide Fahrmotoren ihre Achse über ein Zahnradgetriebe mit einer Übersetzung von 1:4,12 (13 / 74) an, was eine Anfahrzugkraft von 7200 Kilos ergibt. Bei der Ausführung für den gemischten Betrieb mit 65 km/h beträgt die Übersetzung 1:5,69 (17 / 70), mit einer Anfahrzugkraft von 9800 Kilos.

Im Sinne eines rationellen Einsatzes sämtlicher Lokomotiven sind beide Übersetzungen austauschbar. Die Zahnräder lassen dafür sich in zwei Hälften teilen, ohne dass die Räder ausgebaut werden müssen. Im Juli 1949 wurde die Bestellung abermals geändert in eine Lokomotive 1V für Reisezüge und 11 Lokomotiven M bis 12M für den gemischten Betrieb, dazu ein Satz Reservedrehgestelle für den gemischten Betrieb. Die elektrische Ausrüstung stammt von Brown Boveri & Co. Die Lokomotiven können Paarweise Rücken an Rücken in Vielfachsteuerung verkehren.

In den Monaten Mai und Juni des Jahres 1950 führten die Hersteller ausgedehnte Versuchsfahrten auf dem Netz der Rhätischen Bahn durch, zuerst zwischen Chur und Disentis, danach auf der Berninalinie. Diese Strecken weisen ähnliche Betriebsbedingungen wie ihr vorgesehenes Einsatznetz auf.

Schnellfahrversuche fanden in Äthiopien statt. Nach einer Entgleisung fiel jedoch den Entschluss, alle zwölf Lokomotive für den gemischten Betrieb einzusetzen. Folglich erhielten sie ihre endgültigen Nummern 1M bis 12M. Die zwölf Diesellokomotiven zu 580 PS mit der Achsfolge (A1A)'(A1A)' mit einem Dienstgewicht von 50 Tonnen wurden zwischen September 1950 und Februar 1951 geliefert. Nachdem die Verstärkung der Strecke Achsdrücke bis 12,5 Tonnen erlaubte entfernte die Werkstatt Diré-Daoua in den Jahren 1963 und 1964 die Mittelachse aller Drehgestelle. Seither verkehren die Lokomotiven als Bo'Bo' mit erhöhter Zugkraft.

Es waren Diesellokomotiven einer besonderen Klasse mit einzigartigen Eigenschaften welche die Firma SLM hergestellt hatte. Dieser Hersteller war für die Qualität seiner Erzeugnisse bekannt, für seine Fähigkeit, Kundenwünschen entgegenzukommen und für die genaue Einhaltung der Lieferfristen. Die ab 1972 neu gelieferten Diesellokomotiven zu 1200 PS der Herstellers Alsthom verdrängen nach und nach jene der SLM aus dem Streckendienst. Drei hauptrevidierte Maschinen, die 3M, 6M und 10M, fahren weiterhin lokale Dienste. Sie lassen sich an den schwarz-gelben Schraffierungen der Schieneräumer erkennen. Ihre Schwestern verrichten Rangieraufgaben oder dienen der Hauptwerkstatt Diré-Daoua als Ersatzteilspender.

Im Jahr 1990 sollten die drei verbliebenen Lokomotiven neue, stärkere Dieselmotoren erhalten, was jedoch wegen der angespannten Finanzlage der Bahn unterbleiben musste. So endete in der Folge ihr aktives Leben. Einige Maschinen erreichten eine Laufleistung von mehr als vier Millionen Kilometer. Von diesen zwölf einzigartigen Lokomotiven überlebt nur die 3M, welche als leere Hülle in Diré-Daoua steht. Sie verbleibt als Zeitzeuge der Glanzzeit der Bahngesellschaft und soll gelegentlich äusserlich restauriert werden und in ein hypothetisches Museum kommen, welches in Diré-Daoua oder Addis-Abeba entstehen soll.

(Source Daniel Ammann)